F 9 Wie erzählt ein Dokumentarfilm?
So vielfältig wie die Welt ist, so vielfältig sind auch die Themen von Dokumentarfilmen: Natur, Politik, Geschichte, Wissenschaft, Familie, Kindheit, Alter, Orte und ihre Kultur, Musik, Film, Künstler*innen usw. Abgesehen von der Vielfalt der Themen gibt es auch verschiedene Erzählweisen: Manchmal sind die Filmemacher*innen im Bild zu sehen und beschreiben ihre Vorgehensweise, bisweilen mischen sie sich sogar in Situationen oder Konflikte aktiv ein. Andere Filmemacher*innen sagen gar nichts oder setzen fast ausschließlich auf die Wirkung von Bildern. Um die Vielfalt der Herangehensweisen zu ordnen, unterscheidet der Filmwissenschaftler Bill Nichols verschiedene „Modi“ (Modus = Art und Weise).
Erklärender Modus („Expository“): Zentral ist hier, dass ein Sachverhalt oder eine Position durch Bild und Ton verständlich gemacht wird; dieser Modus ist hauptsächlich gekennzeichnet durch den Voice- Over-Kommentar, mit dem der*die Zuschauer*in direkt angesprochen wird.
Poetischer Modus („Poetic“): Dieser Modus setzt stark auf visuelle und akustische Wirkung. Bilder, Töne und Sprache fügen sich zu einem poetischen Ganzen zusammen; es wird nicht alles erklärt, es entsteht viel Freiraum für die Fantasie der Zuschauer*innen.
Beobachtender Modus („Observational“): Ein beobachtender Film versucht, die Welt wirklichkeitsnah einzufangen. Der*die Filmemacher*in bleibt unsichtbar und auch die Akteur*innen handeln so, als ob die Kamera nicht anwesend wäre.
Interagierender Modus („Participatory“): Dieser Modus ist gekennzeichnet durch das Auftreten der*s Filmemachers*in mit den Akteur*innen des Films, vor allem durch Interviews.
Reflexiver Modus („Reflexive“): Hier hinterfragt der Dokumentarfilm seine eigene Arbeitsweise. Die Möglichkeiten und Grenzen der filmischen Arbeit werden im Film thematisiert, z. B. wenn gefragt wird, ob Interviewpartner*innen ehrlich antworten oder ob die beobachtete Situation typisch ist.
Performativer Modus („Performative“): Der*die Filmemacher*in steht mehr noch als beim interagierenden Modus im Mittelpunkt. Er*sie nutzt ihr individuelles Auftreten als filmisches Stilmittel und demonstriert ihr persönliches Engagement in Bezug auf das Thema des Films.
Aufgaben
- Lies den Text und überlege, in welchem Modus HI, A.I. gestaltet ist. Viele Dokumentarfilme verbinden Elemente verschiedener Darstellungsweisen.
- Nutze das gezeigte Bild aus dem Film und mindestens ein weiteres aus den Arbeitsmaterialien, um deine Einschätzung zu belegen.
- Es gibt viele Dokumentarfilme, in denen die Bilder nicht von einem*r Sprecher*in kommentiert werden. Gilt das auch für HI, A.I.? Welche Möglichkeiten haben diese Filme, dennoch Meinungen deutlich zu machen?