B 12 Ein autonomes Lastenrad entwickeln III

Hindernisse und Fragestellungen

Eine große Herausforderung besteht darin, das autonome Lastenrad in die Lage zu versetzen, auch unübersichtliche Verkehrssituationen zu erfassen und richtig zu interpretieren.

Anders als bei Autos, die meist über eine eigene Fahrbahn verfügen, bewegen sich Fahrräder oft auf gemeinsamen Wegen mit Fußgänger*innen oder auf der Autofahrbahn. Das Zusammenspiel mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen ist also anspruchsvoll. Dabei fehlt einem autonomen Lastenrad ein wichtiges Mittel, das bei der Begegnung zwischen menschlichen Verkehrsteilnehmer*innen eine wichtige Rolle spielt: der Blickkontakt. Auch links abbiegen und eine Straße ohne Ampel zu überqueren sind große Herausforderungen für ein solches Fahrzeug.  

Unter diesen Bedingungen würde man die Fähigkeit des Systems, sich auf ständig wechselnde Situationen mit vielen Beteiligten einzustellen und innerhalb kurzer Zeit Entscheidungen zu treffen, wohl als „intelligent“ bezeichnen können.

Ein Fahrrad, das ohne Fahrer*in durch die Stadt fährt, löst selbstverständlich Erstaunen aus. Aber vielleicht auch Unbehagen oder Angst? Es liegt im Interesse der Betreiber, dass das Fahrzeug möglichst schnell an seinen Zielort gelangt. Wie hoch darf die Geschwindigkeit sein, damit es von Fußgänger*innen nicht als bedrohlich wahrgenommen wird? 20 oder 30 Stundenkilometer? Sollte das Lastenrad in der Innenstadt langsamer unterwegs sein als in Außenbezirken? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Umweltpsycholog*innen.

Und wie ist das eigentlich rechtlich? Wer ist verantwortlich, wenn es zwischen einem autonomen Fahrzeug und einem anderen Fahrzeug zu einem Zusammenstoß kommt? Viele Situationen sind hier auch rechtlich vollkommen neu. Deshalb sind am Forschungsprojekt Jurist*innen beteiligt, die sich zum Beispiel auch um Genehmigungen für den Testbetrieb kümmern müssen.

Was heißt eigentlich „Autonomie“?

Ist alles, was sich bewegt, ohne dass jemand mit einer Fernsteuerung daneben steht, autonom? Nein, sagt die Technikphilosophin Catrin Misselhorn. Wichtig ist vor allem das, was im Inneren der Maschine passiert.

Der Begriff Autonomie bedeutet wörtlich übersetzt „Eigengesetzlichkeit“. Dass ein Lebewesen oder eine Maschine die Gesetzmäßigkeiten des eigenen Handelns festlegt, ist ein sehr hoher Anspruch. Man wird das von keinem bisher existierenden Roboter sagen können und schon gar nicht von einem selbstfahrenden Fahrzeug, das sich selbstverständlich an von außen gesetzte Regeln und Anweisungen hält. Catrin Misselhorn unterscheidet verschiedene Grade auf dem Weg zur Autonomie. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Jeder von ihnen kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein:

1) Interaktivität: Eine Maschine kann durch Sensoren, Kameras, Sprachmodule usw. mit ihrer Umwelt kommunizieren. Sie kann erkennen, wenn sich z. B. eine Verkehrssituation verändert.

2) Anpassungsfähigkeit: Eine Maschine kann ihr Verhalten ändern, wenn sich Situationen verändern.

3) Handeln aus Gründen: Eine Maschine verfügt über eine Wissensbasis zu einem Thema (z. B. die Regeln für ein Kartenspiel), sie kennt einen gewünschten Endzustand (weitere Kartenspiele lernen) und ist in der Lage, mit Hilfe maschineller Lernstrategien dieses Ziel zu erreichen.

Aufgaben

  • Lest den Text zu Hindernissen und Fragestellungen. Vergleicht ihn mit euren eigenen Arbeitsergebnissen.
  • Überprüft mit Hilfe des Textes über Autonomie, welche der dort beschriebenen Merkmale von Autonomie auf selbstfahrende Fahrzeuge zutreffen.
  • Wie immer, wenn ein neues technisches System erprobt und eingesetzt wird, gibt es Bedenken und Kritik. Die Entwicklung kostet viel Geld. Diskutiert, ob und warum ein autonomes Lastenrad im öffentlichen Straßenverkehr Vorteile mit sich bringen kann.
  • Vielleicht kennt ihr Geschichten von genialen Erfinder*innen, die in ihrer Werkstatt experimentieren und irgendwann eine bedeutende Entdeckung machen. Beschreibt, wie sich ein heutiges Forschungsprojekt von diesem Erfindertum unterscheidet.