B 4 1 oder 0 – wie Maschinen denken

Viele Menschen haben Schwierigkeiten, wichtige Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel die Entscheidung, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Vielleicht wünschen sie sich eine Maschine, die dazu in der Lage ist, den für sie am besten geeigneten Beruf herauszufinden. Kann es so eine Maschine geben?

Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) hätte die Frage möglicherweise mit „ja“ beantwortet. Er entwickelte eine Methode, die er „cogitatio symbolica“ nannte. Mit ihr sollte es möglich sein, komplizierte Probleme aufgrund rein logischer Verfahren zu lösen. Grundlage ist eine Vorstellung des menschlichen Denkens, nach der Symbole (die für den Gegenstand des Nachdenkens stehen) nach bestimmten Regeln verknüpft werden (der Prozess des Nachdenkens). Wenn es gelänge, diese Verbindung von Zeichen und Regeln exakt abzubilden, könnten komplexe Entscheidungsfragen eindeutig beantwortet werden. Leibniz glaubte, auf diese Weise auch gesellschaftliche Probleme lösen und sogar Kriege verhindern zu können.

Auch wenn sich dieses Denkmodell nicht unmittelbar praktisch umsetzen lässt – es liefert gewissermaßen eine Vorlage für die Entwicklung intelligenter Maschinen. Ein weiterer Baustein ist die sogenannte Boolsche Algebra, ein System einfacher Aussage-Verknüpfungen, das nach dem englischen Mathematiker George Boole (1815 – 1864) benannt ist. Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass alle Aussagen auf zwei Werte reduziert werden: wahr und unwahr, 1 und 0. Durch logische Operatoren wie UND, ODER und NICHT werden die Aussagen bzw. Aussagewerte verknüpft und können so zu einem ganzen Netz logisch aufeinander folgender Aussagen verbunden werden.

Die Reduktion auf nur zwei Werte ist wichtig, weil sie den Übergang zur Computertechnik des 20. Jahrhunderts ermöglicht: Grundbaustein von Computern sind winzige elektronische Schalter, die zwischen zwei Zuständen unterscheiden können: An oder aus, 1 oder 0. Durch Verknüpfen zahlreicher elektronischer Schalter lässt sich eine Maschine konstruieren, die aus dem, was man eingibt, logische Schlüsse ziehen kann. Die enorme Steigerung der Rechengeschwindigkeit im Laufe des 20. Jahrhunderts ermöglichte die Entwicklung leistungsfähiger Computer.

In den Anfängen der KI-Forschung wurde diese Art des maschinellen Denkens gleichgesetzt mit dem, was Menschen tun, wenn sie denken. Und tatsächlich gehören ja das logische Schließen und die Unterscheidung zwischen Wahr und Unwahr zur menschlichen Denktätigkeit. Aber reicht das, wenn man an komplexe Entscheidungsfragen denkt – etwa der nach dem Beruf, den ein Mensch ergreifen will. Hier spielen sehr viele Faktoren eine Rolle: emotionale Erfahrungen und Wünsche, Vorbilder, Statusfragen und Rollenvorstellungen. Und die Art und Weise, wie das Gehirn diese vielen Einflüsse verarbeitet, ist nur in Ansätzen auf technische Systeme übertragbar.

Eigener Text, vgl. auch: Manuela Lenzen, Künstliche Intelligenz. München 20182, S. 35ff.

 Aufgaben

  • Benennt die im Text genannten Grundlagen für die Entwicklung von Computern und KI in eigenen Worten.
  • Forscher*innen verfolgen bereits seit langem das Ziel, die Denkfähigkeit des Menschen auf Maschinen zu übertragen und dadurch zu erweitern. Wie bewertet ihr diesen Trend?
  • Diskutiert, welche Rolle eine KI in der Berufsberatung übernehmen könnte.